Deutsches Evangelisches Institut, Jerusalem

"Botanik an sich ist schon das reinste Vergnügen!" – Das Herbarium des DEI

„Sie aber an so einem Ort, in dieser Umgebung, dieser Aussicht […] betreiben zu dürfen, bleibt unübertroffen.“


So schrieb Prof. Dr. Harald Kürschner vom Institut für Biologie, Systematische Botanik und Pflanzengeographie an der Freien Universität Berlin Mitte im März 20?? über seinen 10tägigen Aufenthalt in Jerusalem am DEI, den er einer ersten Sichtung und Überarbeitung des Herbariums widmete. Genau wie er, war wohl auch Gustaf Dalman von der Schönheit und Eigenart Palästinas beeindruckt. So ist der Wunsch Gustaf Dalmans, alle Aspekte des Lebens hier zu erforschen, zu erhalten und an die Daheimgebliebenen weiterzugeben, gut verständlich. Neben Sammlungen von Vögeln, Beduinenkleidern, Keramik, Arbeitsgeräten, Haushaltsgegenständen, Schmuck und Steinen stellte Dalman auch eine Pflanzensammlung zusammen.

Zur Geschichte des Herbariums
Dr. Otto Kersten (1839-1900), Kanzleileiter des deutschen Konsulats von 1870 bis 1874 hatte großes Interesse an der geografischen und naturwissenschaftlichen Erforschung Palästinas. Während seines vierjährigen Aufenthaltes in Jerusalem bereiste er das Land und legt eine Pflanzensammlung mit einem Schwerpunkt auf der Botanik rund um das Tote Meer an. Als er 1874 nach Deutschland zurückkehrte, übergab er seine Sammlung an den Deutschen Verein, der 1873 in Jerusalem gegründet worden war, mit der Auflage, die Objekte zu pflegen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Sammlung wurde zunächst in eigens angemieteten Räumen, später in der Deutschen Schule gezeigt. Aus Platz- und Geldmangel musste diese Ausstellung schon nach kurzer Zeit wieder schließen und die Sammlungen wurden zum Teil im Syrischen Waisenhaus eingelagert, zum Teil nach Berlin gebracht. Der größte Teil der Pflanzensammlung wurde dem Königlich Botanischen Museum in Berlin übergeben. 1881 übergab Herrmann Guthe, Vorstandsmitglied im Deutschen Palästinaverein (DPV), das Herbarium, dessen Pflanzen in der Zwischenzeit bestimmt worden waren, in Jerusalem zurück an den Deutschen Verein. H. Guthe hielt an dem Plan eines Palästina-Museums in Jerusalem fest, dieses Mal unter der Aufsicht des DPV. Während sich jedoch die Verhandlungen um die nötige finanzielle Unterstützung in die Länge zogen, verkaufte der Deutsche Verein die Pflanzensammlung an das Syrische Waisenhaus.
Mit der Gründung des Deutschen Evangelischen Instituts und dem Amtsantritt von Gustaf Dalman als erstem Direktor wurde der Gedanke eines Museums wieder belebt. Die bis dato vom Syrischen Waisenhaus aufbewahrten Sammlungen inklusive des Herbariums von Otto Kersten wurden übernommen. Außerdem erweiterte Gustaf Dalman die Sammlung durch den Erwerb des 1902 im „Boten aus Zion“ zum Kauf angebotenen Herbariums von Leonhard Bauer („vollständig neu, enthaltend annähernd 1000 Exemplare“). L. Bauer war Oberlehrer am Lehrerseminar des Syrischen Waisenhauses in Jerusalem. Es darf angenommen werden, dass G. Dalman auch selbst einiges zur Sammlung beitrug.
Als Gustaf Dalman nach dem Ersten Weltkrieg noch einmal für kurze Zeit nach Jerusalem zurückkehrt, sind die Sammlungen zwar fast unbeschädigt erhalten, aber durcheinander und nicht sachgemäß aufbewahrt. Er war inzwischen nach Greifswald berufen worden. Einen Teil seiner Sammlungen, darunter auch Teile des Herbariums, nahm er aus Jerusalem mit in das 1920 gegründete Gustaf-Dalman-Institut Greifswald, wo sie sich bis heute befinden. Ob weitere Teile des Herbariums nach Deutschland, z.B. in die Botanischen Sammlungen nach Berlin, gebracht wurden, ist unklar. Ebenso unklar ist, wie ein Teil der Pflanzensammlung von Otto Kersten in den Besitz des Herbariums der Hebrew University of Jerusalem gelangte.

Aus dem Bericht von Prof. Kürschner
Heute besteht das Herbar aus 847 Bögen und enthält Pflanzen, die zwischen 1902 und 1905 bzw. 1912, 1913 überwiegend in der Umgebung von Jerusalem und der Judäischen Wüste (Wadi Musa, Wadi Kilt, Jericho) gesammelt wurden. Einige Belege stammen von der Küstenregion (Jaffa), einzelne vom Jebel Harun, Nahr Rubin, Ammon (Kerak) oder Edom (Dana, Petra). Sie decken ein weites Spektrum der typischen Frühjahrsblüher Palästinas ab und stellen somit aus wissenschaftlicher Sicht eine äußerst wichtige und erhaltenswerte Quelle dar. Liefert sie doch floristische Daten, deren Kenntnis auch für heutige Arbeiten als Grundlage unverzichtbar sind. Neben den Samenpflanzen enthält sie drei Farne, zwei bisher unbestimmte Flechten, eine unbestimmte Alge, ein Lebermoos (Lunularia cruciata) und ein Laubmoos (Homalothecium aureum). Ihr historischer Wert begründet sich – neben rein ästhetischen Gesichtspunkten und der Tatsache, dass sie Teil der Sammlung G. Dalmans ist – auch darin, dass die Sammlung in der Ãœbersicht ‘Die Pflanzen Palästinas‘ von J. E. Dinsmore und G. Dalman zitiert wird. Die Sammlung ist bis auf sechs Bögen (kultivierte, nicht einheimische Arten ohne Angabe des Sammelortes) bestimmt. Grundlage war die zur damaligen Zeit verfügbare „Flora Orientalis“ von E. Boissier und die „Flora of Syria, Palestine, and Sinai“ von G. E. Post. Dies hat zur Folge, dass die Nomenklatur heute nicht mehr aktuell ist, einige Belege anderen Arten zugeordnet werden können bzw. müssen, und einige erst später beschriebene Arten zur damaligen Zeit unerkannt blieben. Trotz allem ist festzuhalten, dass die Sammlung von einem ausgesprochenen Kenner und Spezialisten angelegt und bestimmt wurde und sich die tatsächlichen Änderungen (Fehlbestimmungen) auf ein Minimum beschränken.

Die Sammlung ist unmontiert und liegt derzeit in Doppelbögen, die in sieben Faszikeln (Mappen) zusammengefasst sind. Das zugrunde gelegte Ordnungsprinzip folgt der Post’schen Flora. Die einzelnen Arten sind durchnummeriert, wobei diese Nummern in Ãœbereinstimmung mit der in der Liste von Dinsmore & Dalman verwendeten Nummern sind. Dies erklärt auch die bestehenden Lücken in der Nummerierung der Sammlung. Von diesen Arten liegen im Herbarium des DEI keine Belege vor. Der Erhaltungszustand der Pflanzen ist, trotz gelegentlichem Schädlingsbefall (Käferfraß) als gut zu bezeichnen. Lediglich 20 der 847 Bögen waren komplett zerstört und mussten, auch um weitere Fraßschäden zu vermeiden, ausgesondert werden.

Eine weitere Bearbeitung unter Anleitung von Prof. Kürschner ist geplant, um die Sammlung langfristig zu erhalten und ausgewählte Exemplare in der Lehrsammlung des Instituts präsentieren zu können.

Barbara Herfurth (Jerusalem)
Prof. Dr. Harald Kürschner (Berlin)

Boissier, Edmond: Flora Orientalis sive enumeratio plantarum in oriente, Basel/ Genf 1867-1888
Der Bote aus Zion. Evangelische Quartalsschrift aus dem Syrischen Waisenhause in Jerusalem, 18 (1902) S. 15.
Dalman, Gustaf (Hg.): Palästinajahrbuch des DEIAHL 8 (1913), S. 10f.
Dinsmore, John Edward, Dalman, Gustaf: Die Pflanzen Palästinas, in: ZDPV 1911 (34), S.4-38.147-172.185-241.
Goren, Haim: Zieht hin und erforscht das Land. Die deutsche Palästinaforschung im 19. Jahrhundert, Göttingen 2003
Männchen, Julia: Gustaf Dalman als Palästinawissenschaftler in Jerusalem und Greifswald 1902-1941, Wiesbaden 1993
Post, George E.: Flora of Syria, Palestine, and Sinai, Beirut 1883-1896
Zohary, Michael: Flora Palaestina, Jerusalem 1966-198

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